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Ein JAG für die Zukunft – Digitalisierung muss in die Jurist:innenausbildung!

Update März 2021: recode.law wurde vom Rechtsausschuss des Landtag NRW zu einer schriftlichen Stellungnahme zu diesem Thema aufgefrodert. Hier ist sie als PDF einsehbar.

Am Montag, den 05. Oktober 2020 versendete recode.law einen offenen Brief an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach. In diesem reagieren wir auf die vom Justizminister geplanten Änderungen des Juristenausbildungsgesetzes (JAG), in dem die Digitalisierung keine Rolle spielt, und unterbreiten Vorschläge, wie man die Digitaliserung des Rechts und der Gesellschaft angemessen berücksichtigen könnte, und begründen, warum dies dringend notwendig ist. Der Brief ist im Folgenden abgedruckt und soll auch bundesweit zur Debatte beitragen. Hier ist der Originalbrief als PDF einsehbar.

#einJAGfürdieZukunft
Geplante Änderungen des Juristenausbildungsgesetzes NRW sind rückschrittlich und tragen der veränderten digitalen Gesellschaft und Arbeitswelt in keiner Weise Rechnung – dabei ist es allerhöchste Zeit!

Sehr geehrter Herr Minister Biesenbach,

können wir uns Ihrer Ansicht nach im Jahre 2020 eine Juristenausbildung leisten, in der die Digitalisierung keine Rolle spielt? Dies müssen wir leider aus den Vorschlägen für die Reform des Juristenausbildungsgesetzes NRW (JAG) schließen.

Die Mitglieder des recode.law e.V., also Studierende und Young Professionals unterschiedlicher Fachrichtungen, die sich mit der Zukunft des Rechts beschäftigen, möchten mit diesem offenen Brief aufzeigen, warum die Digitalisierung des Rechts und des Rechtsmarktes auch in der Juristenausbildung eine Rolle spielen muss. Vielleicht sogar: Warum unser Rechtsstaat diese Veränderungen braucht.

Zusammenfassung

  1. >> Vorschlag 1: Wir fordern, § 25 Abs. 2 Nr. 4 JAG NRW so zu ändern, dass nicht nur fremdsprachige Zusatzausbildungen der Hochschulen mit einem Freisemester beim Freiversuch privilegiert werden, sondern auch andere vom Landesjustizprüfungsamt anerkannten wissenschaftlichen Zusatzausbildungen. So wird den Hochschulen ermöglicht, interdisziplinäre Zusatzausbildungen u.a. in Legal Tech nach dem Passauer Vorbild anzubieten und sich unter Darlegung des Nutzens beim LJPA um eine Anerkennung zu bewerben. <<
  2. >> Vorschlag 2: weiterhin, § 7 Abs. 2 JAG NRW zu ändern, sodass Inhalt des Jurastudiums auch ist, ein Bewusstsein für den (potenziellen) Einfluss der Digitalisierung auf das Recht zu schaffen und die technologischen sowie methodischen Grundlagen einer digitalen juristischen Arbeitsweise zu vermitteln. <<
  3. Das ist nötig, weil auch durch die von Ihnen geplanten Reformen des JAG NRW, die Juristenausbildung den Möglichkeiten und Herausforderungen nicht gerecht wird, vor die die Digitalisierung das Recht und den Rechtsstaat stellt.
  4. Der Rechtsmarkt der Zukunft braucht Rechtsmethodiker, Kommunikationstalente, Rechtsingenieure und Projektmanager – mit anderen Worten: Gerade nicht das, was es schon immer gab und was die jetzigen Vorschläge für ein neues JAG NRW aufrechterhalten werden.
  5. Deutsche ziehen im Durchschnitt erst für einen Streitwert ab 1.840 € vor Gericht und die Verfahren dauern zu lange. Eine digitale Justiz kann das ändern. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip, sollte gefördert werden, indem man die Potenziale der Digitalisierung auch im Bereich der Justiz realisiert. So kann den Bürgern ein effizienterer und gerechterer Rechtsschutz geboten werden.

Es drohen rechtsfreie Räume, die sich ein Rechtsstaat nicht leisten kann, wenn die juristische Praxis die rasanten Techniksprünge nicht versteht und mit ihnen nicht mithält. Dann kann der Rechtsstaat sie nicht regeln und über sie urteilen.

Vorab eine Einschränkung:  Fragen wie die psychische Belastung durch das Staatsexamen, die Abschaffung des Abschichtens oder die Einführung eines integrierten Bachelorgrades – um nur ein paar zu nennen – sind für #einJAGfürdieZukunft ebenfalls essenziell. Allerdings sind wir keine zweite Landesfachschaft. Wir beschränken uns auf den Bereich unserer Expertise: Legal Tech und Innovation. Hier haben wir uns vor allem als Bildungsplattform, Eventveranstalter und Content-Creator Anerkennung erworben. Kürzlich haben wir eine virtuelle Online-Konferenz zu den Chancen und Hürden der Digitalisierung der Justiz (“Digital Justice Conference 2020”) organisiert mit namhaften, internationalen Speakern und Diskutanten und 450 Teilnahmen.
Zu den übrigen (wichtigen) allgemeinen Fragen der Reform (wie z.B. die Frage des Abschichtens, Gewichtung mündlicher Prüfung u.Ä.) verweisen wir auf die Stellungnahme der Landesfachschaft Jura NRW und die Eckpunkte für eine neue Juristenausbildung von Prof. Dr. Stephan Breidenbach (u.a.). Wir beschränken uns in diesem Brief darauf, #einJAGfürdieZukunft vom Blickwinkel der voranschreitenden Disruption, Innovation und Digitalisierung im juristischen Bereichs zu betrachten und zu gestalten. Für die übrigen Blickwinkel gibt es andere Experten, die wir hiermit herzlich dazu einladen, #einJAGfürdieZukunft mitzugestalten!

I. Handlungsbedarf: Legal Tech(nology) ist auf dem Vormarsch

23 % der Arbeit eines Anwalts könnte mit bereits heutiger Technologie automatisiert werden (McKinsey Global Institute). Nach Einschätzung von Partnern von Großkanzleien könnten potenziell 30-50 % der Aufgaben von Junganwälten automatisiert werden (Boston Consulting Group; Bucerius Law School). Wer nun tatsächlich automatisiert, kann seine Dienste zügiger, kostengünstiger und zu attraktiven Pauschalpreisen anbieten. Diese Entwicklung hat bereits begonnen. Wer es nicht tut, wird nicht mehr marktfähig sein. Für menschliche Subsumtionsautomaten oder Ewig-Gestrige, die billable hours für Routinearbeiten berechnen, wird kein Platz mehr sein. 

Was die Zukunft braucht: Rechtsmethodiker, Kommunikationstalente, Rechtsingenieure und Projektmanager, vulgo: Gerade nicht das, was es schon immer gab und was die jetzigen Vorschläge für ein neues JAG NRW aufrechterhalten werden.

Bei der Justiz verhält es sich nicht anders: Wir haben zweifelsohne das Glück, uns im weltweiten Vergleich in einem durchaus fairen, effizienten und sicheren Rechtssystem zu befinden. Trotzdem: Der durchschnittliche Streitwert, ab dem die deutsche Bevölkerung wegen eines Anspruchs vor Gericht ziehen würde, liegt bei 1.840 €. Kann es sein, dass der Rechtsstaat unter dieser Grenze letztlich nicht anspringt und bei den Bürgern ankommt? Ein Grund dafür könnten sein, dass die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Auffassung ist, dass viele Gerichtsverfahren zu lange dauern (85 %) und die Gerichte überlastet sind (83 %). Auch seien die Gesetze in Deutschland viel zu kompliziert, sodass man sie als normaler Bürger nicht verstehe (56 % [bisherige Zahlen aus dem Roland Rechtsreport 2020]), was die Selbsteinschätzung der eigenen Rechte erschwert. Sie fürchten schlichtweg das Prozessrisiko und die Belastung, die mit einem Prozess einhergeht. Und verzichten auf ihr gutes Recht.

Hier gilt nicht: “Viel hilft viel”. Diese Probleme können nicht einfach mit mehr Personal gelöst werden. Das System braucht einen grundlegenden, qualitativen Wandel. Und das Werkzeug dazu wartet frustriert vor Ihrer und den Türen der hiesigen Hochschulen. Es heißt: Digitalisierung. 

Während in British Columbia, Kanada tausende zivilrechtliche Ansprüche vor dem Civil Resolution Tribunal komplett online durchgesetzt werden und 78 % der Teilnehmer zufrieden mit der Schnelligkeit waren (zur Erinnerung: in Deutschland sind 85 % unzufrieden), werden hierzulande Leistungsdrucker in Gerichten aufgebaut, weil über das besondere elektronische Anwaltspostfach – wenn es mal  sicher funktioniert – gesendete Dokumente bei Gericht mancherorts noch nicht in einer eAkte gespeichert werden. 

Wieso nicht den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip, signifikant fördern, indem man die Potenziale der Digitalisierung auch im Bereich der Justiz realisiert? So kann den Bürgern ein effizienterer und gerechterer Rechtsschutz geboten werden.

Digitalkompetenz ist aber nicht nur nötig, um damit das Recht effizient zu machen. Anders herum muss das Recht auch über digitale Fragen entscheiden können. Schon jetzt wird von Berufseinsteigern in jeglichen Einsatzbereichen ein hohes Maß an interdisziplinärer Kompetenz gefordert. Juristen und Juristinnen mussten sich schon immer mit wirtschaftlichen Zusammenhängen auseinandersetzen. Mit der Digitalisierung  wird dies noch verschärft und ein zunehmendes Maß an Kenntnis über komplexe technische Zusammenhänge wird notwendig. Setzen sie sich hiermit nicht auseinander, kann das Rechtssystem den rasanten Techniksprüngen in der Praxis nicht mehr mithalten. Es drohen rechtsfreie Räume, die sich ein Rechtsstaat nicht leisten kann.

II. Der Anfang ist bei der Ausbildung zu machen. Ihre Vorschläge für die JAG-Novelle tragen dem keine Rechnung

Die Rechtsanwender und -schaffenden von Morgen durchlaufen zurzeit noch eine juristische Ausbildung, die auf den zwingenden Wandel in der Rechtspraxis nicht zu reagieren vermag. Dieser Wandel hat längst begonnen, während sich die juristische Ausbildung seit Jahrzehnten nicht grundlegend verändert hat.

Das muss sie aber. Das Anforderungsbild, das bei Berufseintritt in Zukunft an den juristischen Nachwuchs gestellt werden wird, wird die jetzigen Ausbildungsinhalte weit übertreffen. Zudem werden sie nicht einfach nur bestehende Software anwenden müssen. Mit einer zunehmenden Digitalisierung aller geeigneten Prozesse wird es an den Juristen liegen, auch Digitalisierungspotenzial zu erkennen und dann bei der Umsetzung maßgeblich mitzuwirken.

Diese Anforderungen stellen sich nicht etwa nur an einen Bruchteil der Juristerei, sondern vielmehr an Juristen in jeglichen Bereichen und Tätigkeitsfeldern, da diese sich an eine zunehmend digitalisierte Umwelt anpassen müssen, um nicht gravierende Verluste an Funktions- und Konkurrenzfähigkeit verzeichnen zu müssen. Nur beispielhaft seien die “Diesel-Massenverfahren” genannt, die zum einen von den bearbeitenden Kanzleien nicht ohne technische Unterstützung bewältigt werden können, zum anderen die Gerichte an ihre Belastungsgrenze treiben, da die spiegelbildliche technische Infrastruktur dort fehlt.

Darüber hinaus handelt es sich hier um Digitalisierungsvorhaben, die nicht völlig ausgelagert werden können: Bei hohem Interesse an Geheimhaltung, Sicherheit und vor allem Richtigkeit, das bei der Umsetzung solcher Projekte im juristischen Bereich die Regel sein wird, ist es unerlässlich, dass die Juristen zu jedem Punkt der Entwicklung die Letztentscheidungshoheit innehaben. Sie müssen in der Lage sein, technische Zusammenhänge zumindest oberflächlich zu verstehen und potenzielle Risiken und Fehler einzuordnen. Dafür müssen sie zu Beginn eines solchen Projektes die technischen Möglichkeiten abschätzen können und in der Umsetzung stets auf Augenhöhe mit den anderen Mitwirkenden kommunizieren können. Es wird nicht notwendig sein, dass ein jeder Jurist zum Programmierer umfunktioniert wird. Dennoch müssen die Mechanismen der Digitalisierung und technische Zusammenhänge zum Grundrepertoire gehören.
Auch im aktuellen Vorschlag zur Reform des JAG NRW kommen diese Überlegungen leider nicht zum Zuge, vielmehr bleibt durch die Ausweitung des Pflichtfachstoffs, die Wiedereinführung der großen Scheine und der Entfall der Abschichtmöglichkeit noch weniger Zeit, um sich diesen Themen ggf. sogar neben dem Studium zu widmen.

III. Konstruktive Gegenvorschläge: Ihr Beitrag zu einer zukunftsgerichteten Juristenausbildung

Vorab: Uns ist bewusst, dass die Lehrangebote im Rahmen der Juristenausbildung nur zum Teil von Ihnen und dem Landesgesetzgeber, an die sich dieser Brief primär richtet, bestimmt werden. Es obliegt den Hochschulen, den gesetzlichen Rahmen mit Inhalt auszufüllen und damit einen weiten Teil der Ausbildung zu gestalten. Dennoch möchten wir mit diesem Brief ein ganzheitliches Bild von einer innovationsfreundlichen Juristenausbildung zeichnen – unabhängig, von wem und auf welche Weise es formell umzusetzen ist. Insofern sind im Übrigen auch die Vertreter der juristischen Fakultäten angesprochen, die das Studiumsangebot gestalten.

1. Beim Freiversuch nicht nur fremdsprachige Zusatzausbildungen privilegieren – § 25 Abs. 2 Nr. 4 JAG NRW

>> Vorschlag 1: Nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 JAG NRW bleibt einem für den Freiversuch ein Semester mehr Zeit, wenn man eine fremdsprachige rechtswissenschaftliche (Zusatz-)Ausbildung absolviert hat. Warum trifft diese Privilegierung nur fremdsprachige Zusatzausbildungen? In Bayern kommen zum Beispiel nach § 37 Abs. 4 JAPO sämtliche vom Landesjustizprüfungsamt anerkannte wissenschaftliche Zusatzausbildungen in Betracht. Dies würde den Hochschulen ermöglichen, auch umfassende Lehrangebote rund um die Digitalisierung und New Work anzubieten, die die Studierenden wahrnehmen könnten, ohne unter Zeitdruck zu geraten. <<

Die Universität Passau ging sogar schon so weit, einen Bachelor of Laws (LL.B.) in Legal Tech anzubieten, den man ohne Zeitverlust auch neben dem regulären juristischem Studium erwerben kann. 

2. Technologische und methodische Grundlagen digitaler juristischer Arbeitsweise als Inhalt des Studiums – § 7 Abs. 2 JAG NRW

In dem Rahmen jedenfalls, den auch schon das bisherige JAG den hiesigen Hochschulen lässt, hätten sie schon lange von sich aus etwas unternehmen und Legal Tech angemessen in ihr Curriculum implementieren können. Dies haben sie aber bis heute nicht getan. Das kann, wie eingangs gezeigt, ein moderner Rechtsstaat heutzutage aber nicht weiter hinnehmen. Darum ist nun die Zeit, von den Hochschulen aktiv einzufordern, Nachwuchs auszubilden, der zumindest mit den technologischen und methodischen Grundlagen der digitalen juristischen Arbeitsweise betraut ist. Dies Einzufordern ist auch ohne weiteres möglich, denn gerade deswegen unterliegt das juristische Studium hierzulande der staatlichen Prüfung und nicht ausschließlich dem Gusto der Hochschulen: Weil es hervorbringt, was am Ende den Rechtsstaat verkörpern soll. Und da sollte der Staat ein Wörtchen mitreden und Anforderungen formulieren.

>> Vorschlag 2: Konkret ist § 7 Abs. 2 JAG NRW gemeint, der den Inhalt des Jurastudiums definiert. Dieser könnte dahingehend erweitert werden, dass das Studium ein Bewusstsein für den (potenziellen) Einfluss der laufenden Digitalisierung auf das Recht allgemein, aber auch auf die Praxis der Justiz, Verwaltung und Rechtsberatung, sowie die technologischen und methodischen Grundlagen digitaler juristischer Arbeitsweise vermitteln soll. <<

Damit wäre ein klares Zeichen gesetzt. Die Hochschulen wären verpflichtet, fortan ein entsprechendes Ausbildungsangebot zu schaffen, das auch außerhalb von freiwilligen Weiterbildungsprogrammen alle Auszubildenden flächendeckend erreicht.

3. Wie die Hochschulen diesen neuen Rahmen ausfüllen könnten

a. Sensibilisierung der und durch die Hochschullehrer

Wie soll der Schüler lernen, was der Lehrer nicht weiß? Die erschreckende Erkenntnis ist, dass Teile der hiesigen Hochschullehrerschaft sich entweder der eingangs skizzierten Entwicklungen nicht Gewahr sind oder es zumindest nicht zeigen und in ihre Lehre einfließen lassen. Es muss nicht jeder ein Legal-Tech-Experte werden – aber jeder sollte ein Bewusstsein für die Entwicklungen haben seine Studierenden zumindest am Rande auf diese hinweisen. Das reicht schon, um ein allgemeines Bewusstsein und gegebenenfalls Wissenshunger und die Nachfrage nach “Mehr” zu schaffen.

b. Vorlesung / Zusatzausbildung “Recht und Technologie”

Es ist so banal wie es klingt. Dr. Martin Fries macht es bereits seit Jahren eindrucksvoll mit seiner Legal-Tech-Vorlesung an der LMU München vor. Allgemeine Vorschläge für eine solche Vorlesung kursieren schon seit Jahren. Auf den wegweisenden Schritt der Universität Passau, einen integrierten Bachelor of Laws in Legal Tech anzubieten, wurde schon an anderer Stelle hingewiesen. 

Der internationale Vergleich macht es nicht besser. Dazu genügt ein Verweis auf Andrew Perlman, der eine Liste mit US-amerikanischen Law Schools aufgestellt hat, die schon 2017 – zum Zeitpunkt des Verfassens – Expertise im Legal-Innovation-Bereich institutionalisiert haben. Namen wie Columbia, Harvard, MIT und Stanford muss man natürlich nicht lange suchen. Erwecken diese Namen nicht genug Vertrauen in die Wichtigkeit des Themas, um sich damit auch hierzulande auseinanderzusetzen?

c. (Legal) Tech Labs & Hubs

Die Hochschulen könnten sog. Labs oder Hubs einrichten, an denen interessierte Studierende aller Fachrichtungen neben dem Studium freiwillig Tech-Skills erlernen und Projekte umsetzen können. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung kann jeder von jedem lernen und es wird geschult, andere Disziplinen zumindest oberflächlich zu verstehen und mit Experten über sie zu sprechen. Für Juristen ist dies sowohl neu als auch von hoher Bedeutung: Seit Jahrhunderten praktizierten sie nahezu isoliert ihr Fach und hatten im Büro und bei Verhandlungen im Wesentlichen nur Kontakt zu ihresgleichen. Wie eingangs gezeigt, wird das aufkommende Berufsbild des Legal Project Managers und des Legal Engineers aber immer stärker mit anderen Berufsgruppen eng zusammenarbeiten müssen. Umgekehrt könnten aber auch findige Programmierer (u.a.) auf den bisher nahezu konkurrenzlosen und äußerst profitablen Markt der Digitalisierung juristischer Prozesse aufmerksam gemacht werden. Die praktische Ausbildung sachgerecht ergänzen und vertiefen (vgl. § 36 Abs. 1 JAG NRW) würden die Hubs und Labs sicherlich auch als mögliche Wahlstationen im Referendariat.

d. Kooperationen mit Legal-Tech-Unternehmen

Nur wenige der hiesigen Legal-Tech-Unternehmen werden etwas dagegen haben, an der Ausbildung des juristischen Nachwuchses mitzuwirken und diesen ihre Software zur Verfügung zu stellen – schließlich werden diese später zu potenziellen Kunden. So würde die Hemmschwelle für interessierte Studierende gesenkt werden, den Einstieg in die praktische Arbeit mit Legal Tech zu finden. Vielleicht bieten die Unternehmen sogar kostenlose Schulungen an? 

Um Bedenken hinsichtlich der Freiheit der Lehre aus dem Weg zu gehen, wäre auch eine Anwendung von und Mitwirkung an Open-Source-Software möglich. Prominentes Beispiel ist das von Berliner Studierenden initiierte Projekt Open Decision, das Entscheidungsautomatisierung frei verfügbar macht.

IV. Fazit

Eine Zusammenfassung unserer Punkte fanden Sie bereits auf Seite 2. Daher nur noch so viel: Legal Tech ist auf dem Vormarsch und ist in Teilen des Marktes schon heute nicht mehr wegzudenken. In Zukunft wird er jegliche Teile dominieren. Und auch außerhalb des freien Marktes – in der Justiz und der Verwaltung – ist es höchste Zeit, Legal Tech zu implementieren, um den Rechtsstaat zu stärken und wirklich bis zur Haustür eines jeden Rechtssuchenden zu bringen. Bitte nehmen Sie diese Entwicklung und Chancen ernst.

Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Anregungen bei Ihren zukünftigen Beratungen berücksichtigen und das JAG nicht nur zu verändern, sondern es auch wirklich erneuern.

Gerne tragen wir dazu bei und sind für einen Diskurs jederzeit bereit.

Bei Interesse freuen wir uns über eine Nachricht an vorstand@recode.law.

Last Updated on 23. März 2021